Frage: Ist der Qur’an erschaffen?

Frage:

Ist der Qur’an erschaffen?

Antwort:

Wisse, alles Existierende hat vier Stufen:

1) Die Existenz in der Realität.

2) Die Existenz im Verstand.

3) Die Existenz auf der Zunge.

4) Die Existenz geschrieben auf weißem Papier.

Als Beispiel kann das Feuer angeführt werden. Das Feuer existiert im Ofen. Auch existiert es in der Vorstellung und im Intellekt, wobei dies die Kenntnis über das Feuer selbst und seine Wirklichkeit ist. Zudem existiert das Feuer auf der Zunge in Form des Wortes, das auf das Feuer hindeutet. Ebenso existiert es auf weißem Papier in geschriebener Form. Das Brennen ist eine besondere Eigenschaft des Feuers. Werden wir gefragt: »Brennt das Wort Feuer in unserem Intellekt?«, so verneinen wir dies. »Brennen die Buchstaben des Wortes Feuer, das wir mit der Zunge aussprechen?«, so verneinen wir auch dies. »Brennen die Buchstaben des Wortes Feuer auf weißem Papier?« Auch dies ist ausgeschlossen. Werden wir jedoch gefragt: »Brennt, das, was mit dem ausgesprochenen oder geschriebenen Wort Feuer gemeint ist?«, so bejahen wir dies. Denn das, was mit dem geschriebenen und ausgesprochenen Wort Feuer gemeint ist, ist das Feuer im Ofen und dieses Feuer brennt. Und so wie das Brennen die Eigenschaft des Feuers ist, so ist auch die Anfangslosigkeit die Eigenschaft der Worte Allahs.

Die Existenz dessen, was als Qur‘an bezeichnet wird, besitzt ebenfalls vier Stufen:

1) Das, was mit dem Wort Qur‘an eigentlich gemeint ist, existiert im Wesen Allahs, denn es ist Seine Eigenschaft. Dies ist vergleichbar mit der Existenz des Feuers im Ofen, wobei dies lediglich als Beispiel dient, da das Feuer und das Wort Allahs, der Qur‘an, in keiner Weise vergleichbar sind. Genauso wie Allah (swt) in der Ayah an-Nahl: 60 sagt:

»Das erhabenste und vollkommenste Beispiel gehört zweifellos Allah.«

Doch solche Beispiele sind notwendig für jemanden, der nicht dazu fähig ist, etwas zu verstehen. So ist die Anfangslosigkeit eine besondere Eigenschaft des Qur‘an, welcher das Wort Allahs ist.

2) Die Existenz in unserem Intellekt in Form einer Kenntnis. Lernen wir den Qur‘an, so existiert dieser als Kenntnis in unserem Intellekt, bevor wir ihn mit der Zunge aufsagen.

3) Die Existenz auf unserer Zunge durch Aneinanderreihung von Buchstaben in Form von Tönen.

4) Die Existenz in Form von Schrift in Büchern und auf Papier.

Werden wir bezüglich der Kenntnis über den Qur‘an gefragt, die in unserem Intellekt existiert, bevor wir diesen mit der Zunge aufsagen, dann antworten wir folgendermaßen: Die Kenntnis über den Qur‘an, die in unserem Intellekt entsteht, ist (ein Teil von uns und somit) erschaffen. Das Eigentliche, was wir kennen, sprich der Qur‘an selbst, ist hingegen anfangslos. Dies ist vergleichbar mit unserer Kenntnis und unserer Vorstellung vom Feuer. Diese an sich brennt nicht, im Gegensatz zu dem, was wir kennen, nämlich das eigentliche Feuer.

Fragt man uns über unsere Stimme, die Bewegung unserer Zunge und unsere Aussprache beim Lesen des Qur‘an, so antworten wir folgendermaßen: All dies ist die Eigenschaft unserer Zunge. Unsere Zunge ist im Nachhinein entstanden und ihre Eigenschaften sind ebenfalls im Nachhinein entstanden. Das, was aus etwas im Nachhinein Entstandenem hervorkommt, ist selbstverständlich ebenso im Nachhinein entstanden. Der Qur‘an selbst, den wir mit unserer im Nachhinein entstandenen Stimme aufsagen, als Dhikr aussprechen, lesen und rezitieren, ist hingegen anfangslos. Genauso verhält es sich damit, wenn wir die Buchstaben des Wortes Feuer aufsagen. Das eigentliche Feuer, auf welches wir mit Buchstaben hinweisen, brennt, während die Buchstaben und Töne nicht brennen.

Behauptet aber jemand folgendes: »Die Buchstaben des Wortes Feuer sind das Feuer selbst.«, dann müssen die Buchstaben des Feuers ebenso brennen wie das Feuer. In gleicher Weise, wären die Buchstaben des Qur‘an, die wir aufsagen, der Qur‘an selbst, so müssten diese anfangslos sein. Genauso müsste auch das auf Papier geschriebene Wort »Feuer« brennen. Ihr behauptet nämlich: »Das Geschriebene ist wie das eigentliche Feuer.« Doch das Wort Feuer deutet lediglich auf das eigentliche Feuer hin und es selbst brennt nicht. Denn das auf Papier niedergeschriebene Wort »Feuer« ist nicht etwas brennendes oder verbrennendes.

In der Existenz gibt es demzufolge diese vier Stufen. Für den einfachen Bürger ist es nicht möglich, diese detailliert zu begreifen, weswegen wir uns mit ihnen nicht in dieses Thema vertiefen. Der Grund dafür ist nicht der, dass wir die Wirklichkeit dieses Themas nicht kennen. Wie wir wissen, wird das Feuer im Ofen als brennend, erloschen oder lodernd beschrieben. Genauso wird das Wort »Feuer« aufgrund der existierenden Bezeichnung in der Sprache als Nichtarabisch, Türkisch oder Arabisch und aus wenigen oder vielen Buchstaben bestehend beschrieben. So wie das Feuer im Ofen nicht aufgeteilt wird in Nichtarabisch, Türkisch und Arabisch, so wird auch das Wort »Feuer«, das wir aussprechen, nicht als erloschen oder lodernd bezeichnet.

Ist das Wort »Feuer« auf Papier geschrieben, so kann es als rot, grün oder schwarz beschrieben werden. Es wurde von mir mit der Schrift Thuluth oder Riq‘a oder mit dem Stift Naskh geschrieben. Doch das ausgesprochene Wort »Feuer« wird niemals als rot, grün oder schwarz bezeichnet. Das Wort Feuer wird als gemeinsames Wort für das benutzt, was sich im Ofen, im Intellekt, auf der Zunge und auf dem Papier befindet.

Die Bezeichnung »Feuer« für das Feuer im Ofen meint die Wirklichkeit des Feuers, wohingegen die Bezeichnung für das Feuer im Intellekt nicht die Wirklichkeit des Feuers beschreibt. Dieses ist lediglich das Abbild des wirklichen Feuers, genauso wie das Abbild, das der Mensch von sich selbst im Spiegel sieht. Folglich ist auch das Feuer im Intellekt kein wirkliches Feuer, sondern nur dessen Abbild.

Die ausgesprochenen Worte »Mensch« und »Feuer«, die auf den wirklichen Menschen bzw. das wirkliche Feuer hindeuten, sind die dritte Bedeutung. Denn sie deuten auf die Kenntnis im Intellekt hin und diese wiederum deutet auf die Wirklichkeit des Menschen und des Feuers hin. Obwohl sich die Worte je nach Sprache unterscheiden, ändern sich die erste und zweite Bedeutung nicht. Das Wort, das auf Papier geschrieben steht, ist die vierte Bedeutung und deutet auf die Buchstaben in der jeweiligen Sprache hin.

Hat man erst einmal verstanden, dass das Wort »Qur‘an« genauso wie das Wort »Feuer« für mehrere Dinge benutzt werden kann und dass jede Existenz vier Stufen hat, dann werden Aussagen wie: »Der Qur‘an ist im Herzen des Dieners« oder »Der Qur‘an ist auf der Zunge des Lesers« oder »Der Qur‘an ist die Eigenschaft Allahs bezüglich Seines Wesens« akzeptiert und ihre Bedeutungen verstanden, ohne dass zwischen diesen Aussagen ein Widerspruch besteht.

Intelligente Leute bestätigen all diese Aussagen im Bewusstsein ihrer richtigen, beabsichtigten Bedeutung. Denn diese Themen sind offenkundig und verständlich. Für Leute mit gutem Verständnis und Intelligenz gibt es kein Thema, das offenkundiger und verständlicher wäre als dieses. Für jene mit schwachem Verständnis und Mangel an Intelligenz sind diese Themen schwer und unklar, weswegen es ihr Recht ist, daran gehindert zu werden, sich mit diesen Themen zu beschäftigen. Ihnen wird gesagt:

»Solltest du über den Qur‘an gefragt werden, so sag lediglich: ›Der Qur‘an ist nicht etwas Erschaffenes.‹ und schweig. Sag nicht mehr und nicht weniger als dies, versuche nicht, das Thema detailliert zu verstehen und betreibe keine Nachforschungen.«

Ein intelligenter Mensch, dem dieses aufklärungsbedürftige Thema erklärt wird, würde es auf Anhieb verstehen und seine Zweifel wären behoben. Jedoch wird ihm angeraten, dem einfachen Bürger nichts darüber zu erzählen, um diesem nicht etwas aufzulasten, was er nicht tragen kann.

So ist es für Menschen, die die Wahrheit basierend auf eindeutigen Beweisen kennen, offenkundig, was man aus diesen äußerlich aufklärungsbedürftigen Nachrichten verstehen muss. Den blinden (zu korrektem Verständnis unfähigen) einfachen Bürgern hingegen bleibt dies verborgen.