Der Unterschied zwischen Imam Ghazali und Ibn Taymiyya

 

Ibn Taymiyya sagt in seinem Buch Madschmu‘ul Fatawa (Band 4, S. 71-72) über Imam Ghazali und dessen Buch Ildschamu‘l ‘Awam folgendes:

»Berichtet einer von den Kalam-Gelehrten über den Weg der Salaf, so zeigen seine Ausführungen, dass er über die Überlieferungen bezüglich der Salafi Salihin nur sehr wenig weiß. Abu al-Ma‘ali, Abu Hamid al-Ghazali, Ibnu‘l Khatib und andere Kalam-Gelehrte wie sie, die die Hadith-Wissenschaft nicht kennen, sind ein Beispiel dafür. Diese Leute haben über die Hadith-Wissenschaft nicht die geringste Kenntnis. Ihr Wissen darüber ist so gering, dass sie diesbezüglich als einfache Bürger gelten. Es kann keine Rede davon sein, dass sie zu den berühmten unter den Hadith-Gelehrten zählen. Sie kennen weder Buchari und Muslim noch ihre Überlieferungen. Ihr Wissen beruht auf Hörensagen, so wie es bei den einfachen Bürgern der Fall ist. Sie sind nicht dazu fähig, Überlieferungen, die die Hadith-Gelehrten als sahih mutawatir einstufen, von erlogenen Überlieferungen, die dem Propheten (saws) verleumderisch zugeschrieben werden, zu unterscheiden.

Der Beweis dafür, dass wir die Wahrheit sagen, sind ihre Bücher und diese sind voller erstaunlicher Dinge. Die meisten Leute des Kalam und Tasawwuf, die vom Weg der Salafi Salihin abgewichen sind, geben dies entweder im Sterbebett zu oder bevor sie sterben. Diesbezüglich gibt es zahlreiche bekannte Geschichten über sie. So wie die Geschichte über Abu Hasan al-Asch‘ari. 40 Jahre lang folgte er dem Weg der Mu‘tazila und verteidigte diesen. Dann jedoch wandte er sich von diesem Weg ab und verkündete offenkundig, dass die Mu‘tazila irregegangen sind und widerlegte sie auf äußerste Art und Weise.

Ein weiteres Beispiel ist Abu Hamid al-Ghazali. Obwohl er sehr intelligent und stets mit Gebeten beschäftigt war, die Kalam-Wissenschaft und Philosophie sehr gut kannte, den Weg des Zuhd, der Ibada und des Tasawwuf einschlug, wandte er sich schließlich von den erwähnten Themen ab, wunderte sich über seinen bisherigen Weg und wurde zu seinem Lebensende hin ein Anhänger des Tasawwuf. Hiernach kehrte er jedoch zum Weg der Ahlu’l Hadith zurück und schrieb sein Buch ›Ildschamu’l ‘Awam ‘an ‘Ilmi‘l Kalam‹, das diesen Weg erläutert.«

Ich, Diyauddin al-Qudsi, sage:

In diesen Zeilen sagt Ibn Taymiyya, dass das Buch von Imam Ghazali »Ildschamu’l ‘Awam« dem Glauben der Hadith-Gelehrten entspricht. Mit »Ahlu‘l Hadith« meint Ibn Taymiyya die Salafi Salihin. D.h. er akzeptiert nur den Weg der Hadith-Gelehrten als den Weg der Salafi Salihin, und das sind jene Gelehrte, denen er vorgibt, selbst zu folgen.

Das Buch »Ildschamu’l ‘Awam« ist zum Download verfügbar. Lest es aufmerksam! Wer dieses Buch liest und es richtig versteht, wird klar und deutlich erkennen, dass Imam Ghazali eindringlich mit Beweisen erklärt, dass der Glaube der Salafi Salihin der Tafwid-Glaube ist. Die Grundlage dessen, was Imam Ghazali in diesem Buch erzählt, ist der Tanzih, d.h. Allah (swt) zuallererst über die wörtliche Bedeutung der Mutaschabih-Begriffe für erhaben zu erklären. Er teilt uns mit, dass der Glaube der Salafi Salihin auf diesem Tanzih basiert und sagt, dass es für den einfachen Bürger Pflicht ist, bezüglich der Mutaschabih-Begriffe dasselbe Verhalten an den Tag zu legen, wie sie.

Dieses Verhalten sieht wie folgt aus:

1) At-Taqdis: Allah (swt) über Körper und Akzidenzen für erhaben zu erklären.

2) At-Tasdiq: Daran zu glauben, dass der Gesandte Allahs (saws) nur die Wahrheit sprach und dass sowohl seine Wortwahl als auch die von ihm beabsichtigte Bedeutung richtig sind.

3) Al-I’tirafu bi‘l ‘Adschz: Die eigene Unfähigkeit, die Bedeutung der Mutaschabih-Nachrichten herauszufinden, einzugestehen und sich darüber im Klaren zu sein, dass man weder die Kraft hierzu besitzt noch dazu verpflichtet ist.

4) As-Sukut: Über die Bedeutung der Mutaschabih-Nachrichten keine Fragen zu stellen, von der Beschäftigung mit diesen abzusehen sowie sich dessen bewusst zu sein, dass dies eine Bid‘a darstellt, welche einen der Gefahr aussetzt, unbemerkt in Kufr zu fallen.

5) Al-Imsak: Jegliche Veränderung der in Mutaschabih-Nachrichten vorkommenden Worte zu unterlassen, sei es durch Übersetzung, Hinzufügen oder Entfernen von Buchstaben, gemeinsame Erwähnung mit anderen Worten oder Herausreißen aus dem Kontext, sondern diese Worte so zu belassen, wie sie im Kontext der Nachricht vorkommen.

6) Al-Kaf: Sich weder im Herzen mit einem Mutaschabih-Wort zu befassen noch gedanklich damit auseinanderzusetzen.

7) At-Taslimu li Ahli’l Ma’rifa: Nicht daran zu glauben, dass einige Bedeutungen der Mutaschabih-Nachrichten auch dem Gesandten Allahs (saws), den anderen Propheten, den Siddiqin und den Awliya verborgen bleiben.

Erzählt Ibn Taymiyya in den Büchern, die auf dem Markt kursieren, den Glauben der Salafi Salihin etwa so, wie Imam Ghazali es in diesem Buch tut? Schauen wir uns seine Bücher an, so sehen wir, dass Ibn Taymiyya den Tafwid-Glauben als einen falschen Glauben beschreibt, der schlimmer ist als die Ansicht der Atheisten. Beispielsweise sagt er in seinem Buch Dar‘u Ta‘arud:

»Es ist deutlich geworden, dass die Aussagen der Anhänger des Tafwid-Glaubens, die von sich behaupten, der Sunnah und den Salaf zu folgen, zu den schlimmsten Aussagen der Leute der Bid‘a und des Ilhad (des Kufrs) zählen.«

Imam Ghazali sagt in diesem Buch, dass sich im Qur‘an Mutaschabih-Verse befinden und dass man Allah (swt) über die wörtliche Bedeutung solcher Verse für erhaben erklären muss, da diese einen Vergleich mit den Geschöpfen darstellt. Ibn Taymiyya jedoch behauptet in seinen Büchern das Gegenteil. Für ihn gibt es im Qur‘an kein Mutaschabih oder Madschaz. Wenn in diesem das Wort »Hand« vorkommt, so ist damit eine echte Hand gemeint. Man muss die Begriffe in ihrer wörtlichen Bedeutung verstehen, darf Allah (swt) jedoch nicht mit den Geschöpfen vergleichen.

Kurz gesagt, betrachten wir die Bücher von Ibn Taymiyya, so steht das, was er als Glaube der Salafi Salihin beschreibt, im Widerspruch zu dem, was Imam Ghazali in seinem Buch sagt. Auf der einen Seite haben wir also die lobenden Worte von Ibn Taymiyya über das Buch Ildschamu’l ‘Awam, denen zufolge dieses Buch den Glauben der Salafi Salihin darlegt. Auf der anderen Seite wiederum haben wir seine Bücher, die Dinge enthalten, die in absolutem Widerspruch zu dem Glauben stehen, der in diesem Buch erklärt wird. Was sollen wir nun davon halten?

Es gibt zwei Möglichkeiten:

1) Ibn Taymiyya glaubt tatsächlich an das, was in Ildschamu’l ‘Awam geschrieben steht und bestätigt dies als den Glauben der Salafi Salihin. Dies, also der Tafwid-Glaube, ist sein wahrer Glaube und die Bücher, die auf dem Markt kursieren, sind entweder erfunden oder verfälscht.

2) Die auf dem Markt kursierenden Bücher, die Ibn Taymiyya zugesprochen werden, beschreiben tatsächlich seinen Glauben.

Wenn dem so ist, wie kann er über ein Buch, das einen Glauben enthält, den er offenkundig tadelt und dem er offenkundig widerspricht, behaupten, dieses Buch entspreche dem Glauben der Salafi Salihin? Wenn wir annehmen, dass die Ibn Taymiyya zugeschriebenen Bücher tatsächlich ihm gehören, dann müssen wir auch annehmen, dass die Aussage über Ildschamu’l ‘Awam von ihm stammt. Demzufolge gibt es zwei Möglichkeiten:

Entweder hat Ibn Taymiyya dieses Buch überhaupt nicht gelesen oder es gelesen und nicht verstanden. Beide Möglichkeiten sprechen gegen ihn. Über ein Buch zu urteilen, das man nicht gelesen hat, bedeutet zu lügen und über ein Buch, das man gelesen hat, ein Urteil zu fällen, das dem Inhalt widerspricht, bedeutet, Tatsachen falsch darzustellen. Es gibt keine weitere Möglichkeit außer diesen beiden. Sollte es eine weitere Möglichkeit geben, sollen seine Anhänger es uns sagen oder sich für eine davon entscheiden.

Welche dieser beiden Möglichkeiten würden jene vorziehen, die behaupten, Ibn Taymiyya sei der größte Gelehrte seiner Zeit und seine Bücher erklärten den Glauben der Salafi Salihin? Ganz gleich, für welche der beiden Möglichkeiten sie sich entscheiden, es spricht gegen sie. Aus diesem Grund verhalten sie sich so, als hätten sie nie etwas von dieser Aussage Ibn Taymiyyas gehört. Einige, die das Buch übersetzen oder veröffentlichen, nehmen diesen Satz sogar aus dem Buch raus.

Schaut nur, was jemand, der Ibn Taymiyya als großen Gelehrten betrachtet, den Ansichten in seinen Büchern folgt und in seinem Land selbst als Gelehrter angesehen wird, sagte, als er den Widerspruch zwischen der Aussage Ibn Taymiyyas über Ildschamu’l ‘Awam und den Aussagen in seinen Büchern sah:

»Ich sah einige Leute mit Krankheit in ihren Herzen Abu Hamid al-Ghazali und andere übertriebene Anhänger der Bid‘a unter den Gelehrten des Schirk und Ta’til verteidigen. Sie lieben es, mit denen zu streiten, die ihnen widersprechen und behaupten, Abu Hamid sei zum Glauben der Hadith-Gelehrten zurückgekehrt und habe das Buch namens ›Ildschamu’l ‘Awam ‘an ‘Ilmi’l Kalam‹ verfasst, um die Kalam-Wissenschaft zu tadeln.

Ich sage, dass für jeden, der den Islam kennt und dieses Buch ›Ildschamu’l ‘Awam‹ gelesen hat, klar und deutlich ist, dass es nicht basierend auf der Ansicht der Hadith-Gelehrten verfasst wurde, sondern auf der der Heuchler und Batiniten. Sie behaupten, dass die Gesandten bezüglich des Tauhid die Wahrheit verheimlichten und Dinge sagten, die im Widerspruch zum Tauhid stehen, dass sie halluzinierten und zum Nutzen des Volkes erlogene Geschichten erzählten, die der Wahrheit widersprechen, denn würde das Volk die Wahrheit kennen, würden sie Allah (swt), den Schöpfer und Schari‘, für nicht existent halten.«

Hier sagt der Autor eindeutig, dass Ibn Taymiyya einen Fehler begangen hat und dass das Buch Ildschamu’l ‘Awam von Imam Ghazali ihrer Meinung nach keinesfalls den Glauben der Salafi Salihin beschreibt. Er versucht zwar einen Fehler zu korrigieren, begeht jedoch zur selben Zeit unbewusst einen anderen Fehler. Ist er etwa ein größerer Gelehrter als Ibn Taymiyya, der den eigenen Widerspruch nicht erkannt hat? Hat Ibn Taymiyya etwa dieses Buch nicht gelesen oder es nicht verstanden? Weshalb sagte Ibn Taymiyya über dieses Buch, dass es den Glauben der Salafi Salihin widerspiegelt, wo es doch seinem Glauben widerspricht? Diese Fragen stellen wir sowohl dem, von dem genannte Aussage stammt, als auch allen heutigen Anhängern Ibn Taymiyyas.

Schauen wir, ob Ibn Taymiyya bezüglich des Themas Eigenschaften dieselbe Ansicht vertritt wie Imam Ghazali:

1. Unterschied:

Ibn Taymiyya sagt über die Mutaschabih-Nachrichten, die im Qur‘an und in der Sunnah vorkommen und Allah (swt) zugesprochen werden, folgendes:

Dies sind Eigenschaften Allahs und gemeint ist ihre wörtliche Bedeutung. Die wörtliche Bedeutung, die für Allah (swt) benutzt wird, ist jedoch nicht dieselbe wie jene, die für Geschöpfe benutzt wird. Zum Beispiel sagt Allah (swt):

»Allahs Yad (Hand) ist beim Treueschwur über den Händen derer, die dir Treue schwören.«[1]

Hier wird Allah (swt) das Wort »Yad (يَد)« zugesprochen, dessen Bedeutung bekannt ist. Wird dieses Wort für die Geschöpfe benutzt, so hat es eine ihnen gebührende Bedeutung, nämlich eine Gliedmaße. Wird es jedoch für Allah (swt) benutzt, so hat es eine Ihm gebührende Bedeutung und ist eine Eigenschaft. Demnach muss man solche Verse wie folgt verstehen:

Allah (swt) hat eine Hand, aber nicht wie die der Geschöpfe. Gleiches gilt auch für die Worte Wadschh (Gesicht: وَجه), Qadam (Fuß: قَدَم) und Nuzul (Herabsteigen: نُزُول). Für Ibn Taymiyya ist der Dhahir solcher Begriffe die wörtliche Bedeutung.

Imam Ghazali sagt hingegen etwas anderes. Ihm zufolge ist der Dhahir das Erste, was einem mit gesundem Verstand in den Sinn kommt. Bei der oben genannten Ayah Fath 10 wäre dies nicht die wörtliche, sondern die übertragene Bedeutung, nämlich dass Allah (swt) sie unterstützen und ihnen helfen wird. Denn die wörtliche Bedeutung von Hand ist eine Allah nicht gebührende Bedeutung, weswegen es nicht erlaubt ist, es in dieser Bedeutung Allah (swt) zuzuschreiben.

Ich sage: Im Gegensatz zur Ansicht von Imam Ghazali ist die Ansicht von Ibn Taymiyya für den einfachen Bürger verwirrend und verleitet ihn dazu, Allah (swt) mit den Geschöpfen zu vergleichen. Denn die wörtliche Bedeutung von Begriffen wie Yad, Wadschh, Qadam, Nuzul und Istiwa kann man mit den Sinnen wahrnehmen und sich mithilfe des Verstandes vorstellen. Allah (swt) jedoch ist weder mit den Sinnesorganen wahrnehmbar noch mit dem Verstand vorstellbar.

Demnach ist beispielsweise die wörtliche Bedeutung von Yad eine Gliedmaße. Ist jedoch eine andere Bedeutung gemeint als diese, sei sie uns bekannt oder nicht, so wurde der Begriff nicht wörtlich benutzt, sondern im übertragenen Sinne. Wenn jemand, nur um den Ta’wil zu umgehen, sagt: »Diese Begriffe sind wörtlich zu verstehen, doch ihre Bedeutung gebührt Allah (swt) und ist mit den Sinnen nicht wahrnehmbar«, so hat er einen anderen Ta’wil gemacht und ist eigentlich von einem Madschaz zu einem anderen übergangen.

Was wäre dann die Bedeutung dieser Begriffe, wenn sie wörtlich verstanden werden müssen, für Allah (swt) jedoch nicht in der Bedeutung von Gliedmaße benutzt werden? Die Antwort darauf erwarten wir von den Anhängern Ibn Taymiyyas. Wenn sie sagen, dass sie die Bedeutung nicht wissen, dann ist diese nicht klar, wurde Allah (swt) überlassen und wir wären somit bei dem Tafwid-Glauben, den Ibn Taymiyya als Unwissenheit, Unglaube und als die schlimmste Ansicht bezeichnet. Oder aber diese Begriffe müssen wörtlich verstanden werden, womit wir beim Tadschsim-Glauben wären, wo Allah mit den Geschöpfen verglichen wird.

Folgendes möchte ich ausdrücklich betonen: Ich frage nicht nach der Modalität (Kayfiyyah) dieser Begriffe. Denn ihr werdet sagen, diese Begriffe haben eine Modalität, aber nur Allah (swt) kennt diese. Ich frage nach der Bedeutung dieser Begriffe in der arabischen Sprache. Wir wissen, dass der Qur‘an auf Arabisch ist und dementsprechend müssen wir ihn auch auf Arabisch verstehen. Die im Qur‘an vorkommenden Begriffe existieren in der arabischen Sprache und so muss auch die Bedeutung dieser Begriffe in der arabischen Sprache existieren und für Allah (swt) keine Gliedmaße bedeuten. Wie lautet diese Bedeutung? Eine Antwort darauf haben wir in den Büchern von Ibn Taymiyya nicht gefunden. Sollte einer seiner Anhänger diese Antwort gefunden haben, so soll er uns diese mitteilen oder uns erklären, wie man dies zu verstehen hat.

Als Antwort gegen jene Leute, die seiner Ansicht, dass diese Begriffe wörtlich genommen werden müssen, Allahs Eigenschaften sind und den Geschöpfen nicht ähneln, widersprechen, führt Ibn Taymiyya den folgenden Vergleich an:

»Ihr akzeptiert, dass Allah (swt) Eigenschaften wie Macht, Wissen und Wille besitzt und dass diese Eigenschaften nicht denen der der Geschöpfe ähneln. Weshalb verhaltet ihr euch im Hinblick auf die Begriffe Yad, Wadschh, Qadam und Nuzul nicht genauso? Dies sind ebenfalls Eigenschaften Allahs und sie ähneln nicht den Geschöpfen.«

Darauf antworte ich wie folgt:

a) Ibn Taymiyya vergleicht hier Begriffe wie Yad, Wadschh, Qadam und Nuzul, die einen Vergleich mit den Geschöpfen assoziieren, mit Eigenschaften wie Macht, Wissen und Wille. Ein solcher Vergleich ist jedoch falsch. Damit ein Vergleich gültig ist, muss der für das Urteil ursächliche Grund zwischen den Dingen, die miteinander verglichen werden, identisch sein. Auch nur der geringste Unterschied würde den Vergleich ungültig machen.

Die Bedeutung von Eigenschaften wie Macht, Wissen oder Wille ist immateriell. Man versteht daraus nicht etwas materielles oder spürbares. Bei den Begriffen Yad, Wadschh oder Qadam ist dies nicht der Fall. Diese sind materiell und mit den Sinnen wahrnehmbar. Demnach sind Macht, Wissen und Wille nicht so wie Wadschh, Yad und Nuzul. Sie unterscheiden sich und können daher nicht miteinander verglichen werden.

b) Wenn man Allah (swt) mit immateriellen Eigenschaften wie Wissen, Macht oder Wille beschreibt, ist es nicht notwendig zu sagen: »Allah hat Wissen, Macht und einen Willen, aber diese gleichen nicht der Macht, dem Wissen und dem Willen der Menschen«. Denn werden diese Begriffe für Menschen benutzt, so unterscheidet sich der Ausprägungsgrad dieser Eigenschaften von Mensch zu Mensch. Werden sie jedoch für Allah (swt) benutzt, versteht man daraus vollkommene Macht, vollkommenes Wissen und vollkommenen Willen. Deshalb beschreiben wir Allah (swt) mit diesen immateriellen Eigenschaften in ihrer tatsächlichen Bedeutung.

Doch die Begriffe Wadschh (Gesicht), Qadam (Fuß), Yad (Hand) und Nuzul (Herabsteigen) sind anders. Ihre wörtliche Bedeutung in der Sprache beschreibt etwas spürbares. Bei Yad, Wadschh und Qadam wären dies Gliedmaße. Bei Nuzul wäre es eine Bewegung von oben nach unten. Auch wenn diese Gliedmaße sich hinsichtlich ihrer Modalität, wie Form und Größe unterscheiden, je nach dem, wer damit beschrieben wird, bleiben es dennoch Gliedmaße.

Aus diesem Grund haben die Salafi Salihin und die Gelehrten der Ahlu Sunnah Allah (swt) über die wörtliche Bedeutung dieser Begriffe für erhaben erklärt. Auch Ibn Taymiyya erklärt Allah (swt) über diese Bedeutungen für erhaben, sagt jedoch, dass die wörtliche Bedeutung dieser Begriffe, wenn sie für Allah (swt) benutzt werden, keine Gliedmaße beschreiben, sondern eine Allah (swt) gebührende Bedeutung haben. Wenn diese Begriffe wörtlich nicht Gliedmaße bedeuten, welche andere Bedeutung besitzen sie in der Sprache? Er selbst hat keine Antwort darauf gegeben und in keinem Wörterbuch findet sich der Satz: »Wird es wörtlich für Allah (swt) benutzt, hat es diese oder jene Bedeutung«.

Falls diese Begriffe, Allah (swt) zugesprochen, nicht die Bedeutung von Gliedmaße tragen, gleichzeitig jedoch ihre eigentliche Bedeutung nicht genannt wird, so ist diese verborgen bzw. unbekannt. Demzufolge gab Ibn Taymiyya ihnen keine Bedeutung. Wenn seine Anhänger meinen, dass er es doch getan hat, dann sollen sie es mit uns teilen.

2. Unterschied:

Ibn Taymiyya, der angeblich den Tadschsim und den Taschbih ablehnt, spricht Allah (swt) eine Richtung und einen Ort zu. Als Beweis für seinen Glauben führt er die wörtliche Bedeutung einiger Qur‘an-Verse und Hadithe an.[2]

Imam Ghazali hingegen spricht Allah (swt) von Richtungen und Orten frei, da dies Eigenschaften der Geschöpfe sind und Allah (swt) darüber erhaben ist, den Geschöpfen zu ähneln.

Ich sage: Dieser Glaube von Ibn Taymiyya ist ein Glaube, den der gesunde Menschenverstand keinesfalls akzeptiert. Denn dass Allah (swt) den Geschöpfen nicht gleicht, darüber erhaben ist, ein Körper zu sein und Eigenschaften eines Körpers zu besitzen, gleichzeitig jedoch einen Ort und eine Richtung hat, die nur Körpern eigen sind, ist etwas unmögliches. Orte und Richtungen sind erschaffen und Allah (swt) existiert, noch bevor Er diese erschaffen hat. Wie sollte es demnach sein, dass der Schöpfer von Orten und Richtungen selbst mit einer Richtung und einem Ort beschrieben werden kann?

Mit dem Finger auf etwas zu zeigen, das kein Körper ist und ihm dadurch eine Richtung und einen Ort zuzuschreiben, ist ein Widerspruch, der selbst dem einfachsten Menschen bewusst ist. Denn nur auf einen Körper kann man mit dem Finger zeigen. Kein gesunder Menschenverstand ist dazu imstande, diesen Widerspruch aufzulösen. Wer meint, dazu imstande zu sein, möge es uns zeigen.

Ibn Taymiyya und jene, die seiner Ansicht folgen, behaupten, dieser Ort sei nicht erschaffen und nicht existent. Wie kann man mit dem Finger in Richtung eines nicht existierenden Ortes zeigen und diesen als wahrnehmbar beschreiben? Kein gesunder Menschenverstand würde diesen eindeutigen Widerspruch akzeptieren.

Dass Allah, Der darüber erhaben ist, Geschöpfen zu ähneln und Eigenschaften von Körpern zu besitzen, einen Ort hat, ist unmöglich, da ein solcher nur für Körper in Frage kommt. Dementsprechend ist es ebenso unmöglich, auf Allah (swt) mit dem Finger zeigen zu können, da dies nur bei Körpern möglich ist. Kein einziger Beweis, den Ibn Taymiyya anführt, um zu zeigen, dass Allah (swt) im Himmel ist und sich tatsächlich über dem Thron befindet, spricht für ihn. Bereits Ibn Dschawzi, einer der größten hanbalitischen Gelehrten, und andere Gelehrte haben in ihrer Zeit jene Leute widerlegt, die diese Ansicht vertraten.

Ibn Taymiyya behauptet, seine Ansicht sei auch die der Salafi Salihin und beschreibt jene, die dieser nicht folgen, als Ahlu‘l Bid’a. Als Beweis führt er eine Aussage von Imam Malik an, die nicht eindeutig von ihm überliefert wird:

»Istiwa ist bekannt, seine Modalität ist unbekannt, der Iman daran ist Pflicht und das Fragen darüber ist eine Bid’a.«

Einige erklären dies folgendermaßen:

»Die Bedeutung von Istiwa in der arabischen Sprache ist bekannt und an diese müssen wir glauben. Es hat eine Modalität, die uns unbekannt ist, weswegen wir diese Allah (swt) überlassen.«

Auch wenn wir annehmen, die Überlieferung von Imam Malik stamme sicher von ihm, kann daraus nicht das verstanden werden, was Ibn Taymiyya daraus versteht. Wäre dies die Bedeutung der Aussage Imam Maliks, hätte Imam Ghazali sie nicht in seinem Buch als Beweis für seinen Glauben angeführt. Denn sie widerspricht seinem Glauben und dem, was er in seinem Buch von Anfang bis Ende erklärt.

Die Erklärung dieser Aussage ist wie folgt:

»Istiwa ist bekannt bedeutet, dass diese Nachricht über die Istiwa Allahs bekannt ist. Mit der Modalität ist die Bedeutung von Istiwa bei Allah (swt) gemeint, welche den Menschen unbekannt ist.«

Die strenge Art und Weise, wie Imam Malik den Fragenden behandelte, zeigt, dass dies so verstanden werden muss. Hätte der Fragende sich lediglich darüber erkundigt, was Istiwa ist, so hätte Imam Malik auf die Weise geantwortet, wie es der Gesandte Allahs (saws) tat, als er über die Seele gefragt wurde:

»Das Wissen darüber ist bei Allah.«

Er hätte ihn nicht getadelt und aus der Moschee rausgeworfen. Die Modalität jedoch ist ein Begriff, der die Eigenschaften eines Körpers beschreibt. Der Glaube von Imam Malik und ebenso von Imam Ghazali ist, dass Allah (swt) darüber erhaben ist, ein Körper zu sein oder Eigenschaften eines Körpers zu besitzen und dieser Glaube erfordert die Ablehnung einer Modalität für Allah (swt).

Die Überlieferung, die mit Sicherheit von Imam Malik stammt, lautet folgendermaßen:

»Allah (swt) sagt: ›Ar-Rahman machte Istiwa zum Thron.‹[3] Allah (swt) ist so, wie Er sich selbst (im Qur‘an) beschreibt. Über Allah (swt) fragt man nicht nach dem Wie, denn für Ihn gibt es keine Modalität.«

Eine andere Aussage, die ebenfalls mit Sicherheit von ihm stammt ist folgende:

»Istiwa ist nicht unbekannt (darüber gibt es eine Ayah). Die Modalität ist undenkbar (der Verstand akzeptiert sie nicht). Der Glaube daran ist Pflicht und das Fragen darüber (über die Bedeutung und Modalität) ist Bid‘a.«

Betrachtet man diese Aussagen, so versteht man eindeutig, dass Imam Malik Istiwa als etwas erklärt, das nicht mit Sinnen wahrnehmbar ist und eine Allah (swt) gebührende Bedeutung hat, welche uns jedoch unbekannt ist.

3. Unterschied:

Ibn Taymiyya bezeichnet den Ta’wil der späteren Gelehrten bezüglich der Mutaschabih-Begriffe als Annullieren der Eigenschaften Allahs und als Verändern der Verse Allahs. Die späteren Gelehrten machten Ta’wil, indem sie den Begriffen in den Mutaschabih-Versen nicht die wörtliche Bedeutung gaben, da diese Allah (swt) nicht gebührt, sondern eine von den Allah (swt) gebührenden metaphorischen Bedeutungen auswählten. Imam Ghazali verbietet den Ta’wil nur den einfachen Bürgern, erlaubt diesen jedoch unter bestimmten Bedingungen den Gelehrten.

4. Unterschied:

Imam Ghazali erklärt Allah (swt) für erhaben über Körper und Akzidenzen. Ibn Taymiyya hingegen sagt, es sei eine Bid‘a und eine der falschen Erfindungen der Kalam-Gelehrten, solche Worte zu benutzten. Hier gilt es folgendes zu beachten: Auch wenn die Begriffe neu sind, ist die damit beabsichtigte Bedeutung richtig. Ibn Taymiyya lehnt diese jedoch sowohl vom Wortlaut als auch von der Bedeutung her ab. Ihm zufolge darf man weder sagen, dass Allah (swt) ein Körper ist, noch, dass Allah (swt) kein Körper ist.

5. Unterschied:

Ibn Taymiyya sieht es nicht als erlaubt an, die Beweise der Kalam-Gelehrten zu benutzten und bezeichnet diese als Bid’a. Imam Ghazali lehnt die Beweise der Kalam-Gelehrten nicht vollständig ab und sagt, dass sie wie eine Medizin sind und nur bestimmten Personen gegeben werden dürfen. Ihm zufolge ist nichts dagegen einzuwenden, richtige rationale Beweise der Kalam-Wissenschaft, die dem Islam entsprechen, für manche Menschen zu benutzen.

Abschließend sagen wir folgendes:

Wir glauben daran, dass die Ansicht von Imam Ghazali hinsichtlich der Mutaschabih-Verse und Hadithe die Richtige ist und dass es ein präziser, richtiger und sicherer Weg ist. Denn dieser Weg sieht den Tanzih als Grundlage an, hält den einfachen Bürger vom Taschbih und Tadschsim fern und verwirrt die Menschen nicht.

Wir haben in Grundzügen die Unterschiede zwischen Ibn Taymiyya und Imam Ghazali bezüglich der Eigenschaften Allahs geschildert. Demnach entspricht die Aussage von Ibn Taymiyya, dass das Buch Ildschamu’l ‘Awam den Glauben der Salaf wiedergibt, der Wahrheit. Dieser Glaube ist aber nicht der Glaube von Ibn Taymiyya. Es ist ein eindeutiger Widerspruch einerseits zu sagen, dieses Buch spiegle den Glauben der Salaf wieder, andererseits jedoch einen Glauben zu besitzen, der ihm widerspricht und letzteren als den Glauben der Salaf zu bezeichnen.

Schaikh Prof. Dr. Diyauddin al-Qudsi


[1] Sure al-Fath: 10

[2] Siehe Al-Hamawiya al-Kubra, S. 419-421

[3] Sure Taha: 5