1) Imam Abu Dscha‘far at-Tahawi sagte:
»Allah ist erhaben darüber, Grenzen, Enden, existenzielle Bestandteile, Gliedmaße und Hilfsmittel zu haben. Die sechs Richtungen umfassen Ihn nicht, wie es bei den später Erschaffenen der Fall ist.«[1]
2) Imam Ahmad wurde einen Tag vor seinem Tod über Hadithe bezüglich der Eigenschaften Allahs gefragt, worauf er wie folgt antwortete:
»Falls diese Hadithe mit Sahih-Ketten überliefert wurden, werden sie so weitergegeben, wie sie gekommen sind. Glaubt daran und weist davon nichts zurück. Der erhabene Allah wird nur mit dem beschrieben, womit Er sich selbst beschreibt, ohne Ihm eine Grenze und ein Ende festzulegen. Es gibt nichts, das Ihm ähnelt. Und Er ist ٱلـسَّمِيـع As-Samiʿ(Der alles Verborgene und Offenkundige hört), ٱلْـبَـصِيـر Al-Basir (Der alles Verborgene und Offenkundige sieht).«[2]
3) Der hanbalitische Gelehrte Allama Ibnu’l Dschawzi sagte:
»Wisse, wer sich die Existenz Allahs als eine räumliche Existenz vorstellt, recherchiert nach der Richtung, wo Allah sich befindet. Auch jener, der sich die Existenz Allahs als eine zeitliche Existenz vorstellt, recherchiert nach der Dauer, wie lange Allah vor der Welt bereits existierte. Beide Vorstellungen sind falsch.
Für den, der Allah eine Richtung zuschreibt, haben alle Richtungen die gleiche Entfernung. Demnach ist es nicht unbedingt erforderlich, in einer bestimmten von diesen Richtungen zu sein, sondern möglich. Ist man in einer bestimmten Richtung, erfordert dies, dass jemand diese für einen auserwählt hat. Das, was auswählt, ist etwas anderes als das, was ausgewählt wird. Für etwas, dessen Nichtexistenz jedoch möglich ist, ist es unmöglich, anfangslos zu sein, denn etwas, das anfangslos ist, dessen Existenz ist in jeder Hinsicht notwendig. Zudem besitzt alles, was in einer Richtung ist, gewiss ein Maß und eine Grenze. Allah hingegen ist erhaben darüber.
Zweifellos kann nur in Bezug auf Körper und Substanzen von Richtungen die Rede sein, denn diese haben ein Volumen, welches wiederum abhängig von Richtungen ist. Eine Richtung selbst befindet sich jedoch nicht in einer anderen Richtung. Somit steht also fest, dass die Behauptung, Allah sei in einer Richtung, falsch ist. Folglich ist auch die Behauptung falsch, Allah habe einen Ort. Der rationale Beweis hierzu lautet wie folgt: Der Ort umfasst den, der sich darin befindet. Den Schöpfer jedoch umfasst nichts und es entsteht bei Ihm keine Eigenschaft im Nachhinein.«[3]
Auf den Seiten 100-102 desselben Buches sagt Ibnu’l Dschawzi:
»Der Gesandte Allahs e sagte:
›Sein Hidschab (Schleier) ist Licht.‹
Man muss wissen, dass dieser Hidschab etwas Erschaffenes ist, denn dass ein Hidschab Allah verbergen kann, ist unmöglich, da ein Hidschab größer ist als das, was er verbirgt. Dass Allah jedoch die Höhe von einem Körper, einem Stoff oder von etwas anderem besitzt und ein Ende hat, ist unmöglich, denn all das deutet darauf hin, dass etwas im Nachhinein entstanden ist. Dass Körper im Nachhinein entstanden sind, haben die Menschen zweifellos daran erkannt, dass deren Existenz endlich und begrenzt ist und dass sie selbst Dinge enthalten, die im Nachhinein entstanden sind. So wie es unmöglich ist, dass die Existenz Allahs einen Anfang und ein Ende hat, so ist es auch unmöglich, dass das Wesen Allahs ein Ende hat.
Zweifellos ist in diesem Hadith gemeint, dass die Geschöpfe daran gehindert werden, Ihn zu sehen und Seine Gaben zu erhalten. Genauso wie es der erhabene Allah im folgenden Qur’an-Vers sagt:
›Keinesfalls (haben sie bei Allah auch nur den geringsten Wert)! Gewiss, an diesem Tag (der Abrechnung) werden sie daran gehindert, ihren Herrn zu sehen und Seine Gaben zu erhalten.‹[4]«
4) Imam Nawawi sagte:
»Über den Hadith ›Der Yamin Allahs überfüllt sich.‹ sagte Imam Mazari folgendes: ›Dieser Hadith gehört zu den Überlieferungen, die ausgelegt werden. Denn falls das Wort Yamin (wörtlich ›rechts‹) das Gegenteil von links bedeutet, kann Allah nicht damit beschrieben werden, denn damit würde Allah ein links zugeschrieben werden, was jedoch bedeuten würde, Allah sei begrenzt. Der erhabene Allah ist jedoch fern von Eigenschaften von Geschöpfen und von Grenzen.‹«[5]
Wichtiger Hinweis:
Wisse, die Erhabenheit Allahs über Grenzen, Enden und beendende Grenzen bedeutet nicht, dass Allah überall ist, denn wie groß ein Raum auch sein mag, er ist dennoch begrenzt. Der erhabene Allah jedoch ist fern von Grenzen. Dass Allah darüber erhaben ist, Grenzen, Enden oder beendende Grenzen zu haben, bedeutet auch nicht, dass die gesamte Welt sich in Allah befindet, denn der Schöpfer ist darüber erhaben, sich in etwas niederzulassen (Hulul), sich mit etwas zu vereinen (Ittihad), etwas zu berühren (Mumassa) oder an etwas anzugrenzen (Ittisal). Es gibt nichts Seinesgleichen. Er ist über alles erhaben, was die Menschen sich vorstellen. Sein Wesen, Seine Eigenschaften und Seine Taten sind in jeder Hinsicht vollkommen und erhaben über jegliche Mangelhaftigkeit, Er ist ohnegleichen.
Wir können die Wirklichkeit Seines Wesens nicht begreifen, weil wir unfähig dazu sind. Auch können wir Ihn nicht mit all Seinen vollkommenen Eigenschaften loben, weil wir nicht alle Seine Eigenschaften kennen. Er ist so, wie Er Sich Selbst lobt.
Wir sagen nicht das, was die Gruppen Hululiyya[6] und Dschahmiyya sagen: »Allah ist überall, es gibt keinen Ort, wo Er nicht ist.« Auch sagen wir nicht das, was die Gruppe Dschihawiyya[7] unter den Haschawiyya[8] sagt: »Allah ist nicht an jedem Ort, sondern nur an einem einzigen Ort, und dieser befindet sich über dem gewaltigen Thron.«
Wir als Ahlu Sunna sagen: Allah ist der Erschaffer von Orten. Er ist darüber erhaben, an einem Ort zu sein. Weder hat Er sich an allen Orten niedergelassen noch an einem bestimmten Ort. Er ist der Herr des gewaltigen Thrones. Er erschuf den Thron, um Seine gewaltige Macht zu zeigen, und nicht, damit dieser ein Ort für Ihn sei, denn Allah existierte, bevor es Orte gab. So wie Er ohne eine Veränderung war, so wird Er auch bis in die Ewigkeit sein.
Es darf nicht gesagt werden: »Allah ist innerhalb der Welt«, was gleichbedeutend damit wäre, dass Allah sich in der Welt niedergelassen oder sich mit der Welt vereint hat. Wie kann es sein, dass der über Grenzen erhabene Schöpfer sich in eine begrenzte Welt niederlässt? In gleicher Weise darf nicht gesagt werden »Allah ist außerhalb der Welt«, denn das würde bedeuten, dass zwischen Allah und der Welt eine Distanz existiert. Es gibt für Ihn keine Distanz zur Welt, denn so wie Er nicht innerhalb der Welt ist, so ist er auch nicht durch eine Distanz außerhalb der Welt. Er ist der Welt ohne Distanz nahe, zwischen Ihm und der Welt gibt es keine Entfernung.
Demnach darf man weder sagen »Allah ist innerhalb der Welt« noch »Allah ist außerhalb der Welt.« Wenn gesagt wird, Allah sei außerhalb der Welt, dann ist von einer Distanz die Rede. Der erhabene Allah ist jedoch fern davon, eine Distanz zu haben. Er ist getrennt von der Welt, doch diese Trennung ist keine räumliche Trennung, sondern sie beschreibt, dass Allah anders ist und die Geschöpfe anders sind. Allah ist der Erschaffer, alles andere außer Ihm ist das Erschaffene. Deshalb kann man über Allah weder sagen, Er sei in der Welt, noch, Er sei außerhalb der Welt, da Er in keiner Hinsicht dem Erschaffenen ähnelt. Zwischen dem Erschaffer und dem Erschaffenen gibt es keine Grenze, d.h. es kann keine Rede davon sein, Allah sei auf einer Seite und die Geschöpfe auf der anderen.
Allah, der Erhabene, sagt:
»Und Wir sind ihm näher als ihr, doch ihr seht es nicht.«[9]
»Und Wir sind ihm näher als seine Halsschlagader.«[10]
»Wirf dich vor Deinem Herrn nieder und nähere dich Ihm.«[11]
Der Gesandte Allahs e beschrieb die Nähe zu Allah auf folgende Weise:
»Befindet sich einer von euch im Gebet, soll ihm bewusst sein, dass er Allah anruft und anfleht. Deshalb soll er weder nach vorne noch nach rechts spucken, denn sein Herr ist zwischen ihm und der Gebetsrichtung.«[12]
In einem anderen Hadith heißt es:
»O ihr Menschen! Macht es euch selbst nicht schwer! Ihr ruft nicht jemanden an, der nicht hört und nicht existiert. Der, den ihr anruft, ist euch sehr nahe und jedem von euch näher als der Nacken seines Reittieres.«[13]
Gemäß diesen Qur’an-Versen und Überlieferungen sagen wir weder »Allah ist innerhalb der Welt« noch »Allah ist außerhalb der Welt.« Falls behauptet wird, Allah sei durch eine Distanz außerhalb der Welt, würde es diesen Qur’an-Versen und Überlieferungen widersprechen, denn dadurch hätte man gesagt, dass Allah sehr nahe ist und gleichzeitig weit weg außerhalb des Universums. Nur wenn die Nähe Allahs keine distanzielle Nähe ist, können diese Qur’an-Verse und Überlieferungen richtig verstanden werden, denn bezüglich Allah kann keine Rede von einer Distanz sein. Demnach widerspricht die Aussage »Allah ist außerhalb der Welt« diesen Qur’an-Versen und Überlieferungen und ist zudem eine Beschreibung, die Ihm nicht gebührt.
[1] Aqidatu’t Tahawiyyah
[2] I’tiqadu al-Imamu’l-Mubaddschal Ibn Hanbal, Band 1, S. 307 / Al-Aqidah, Band 1, S. 127
[3] Al-Bazu’l Aschhab, S. 57
[4] Al-Mutaffifin 15
[5] Scharh Muslim, Band: 7 , S. 80
[6] Eıne Gruppierung, die daran glaubt, dass Allah in ein Geschöpf eindringen kann.
[7] Jene, die daran glauben, dass Allah in einer Richtung ist und sich mit Seinem Wesen über dem Thron befindet.
[8] Haschawiyya bedeutet: Jene, die in wahre Worte falsche Worte einfügen. Z.B. sagen sie über die Aussage im Qur’an »Allah machte Istiwa zum Thron«, »Allah machte mit Seinem Wesen Istiwa zum Thron.«
[9] Al-Waqi’a 85
[10] Qaf 16
[11] Al-Alaq 19
[12] Bukhari
[13] Bukhari